Die traditionelle Eckkneipe ein Auslaufmodell – die „Wolbecker“ auf dem Weg zur Gastromeile

Im Jahr 1969/70 existierten zwischen dem Servatiiplatz und dem Dortmund-Ems-Kanal neun Kneipen mit einer teilweise in das vorherige Jahrhundert reichende Geschichte. „Mütterchen Angsmann“, der „Gasthof Tebbe“, das „ Alte Gasthaus Peters“, “Zum alten Gottfried“ sind einige dieser Traditionsgasthäuser. Hinter dem Kanal reihten sich das „Alte Gasthaus Homann“ und „Stapelskotten“ in diese Kette alteingesessener Gaststätten ein. Im weiteren Verlauf der Wolbecker Straße gesellten sich in der Nachkriegszeit z.B. die „Delstruper Poarte“ und die Gaststätte Hälker dazu.

Bereits bis 2002 waren davon nur noch fünf der Gasthäuser aktiv. Neue Gaststätten wie z.B. „Ecksteins“ und „Up de Deele“ waren dazu gekommen, allerdings in Räumlichkeiten, die zuvor anderen gewerblichen Zwecken dienten.

Aktuell entwickelt sich die „Wolbecker“ im Bereich zwischen dem Servatiiplatz und dem Kanal zur regelrechten „Gastromeile“  mit einem breiten Angebot. Am Beispiel einiger Hausgeschichten möchte ich verschiedene Entwicklungen aufzeigen. Eine ungebrochene Gastronomietradition haben die Häuser W 50 und W 64, die kurz portraitiert werden sollen.

Wolbecker Str. 50   Von Luigs Bierstuben zum  „Bun Bites Beef“ – Burgerrestaurant

Das Haus an der mit der Hausnummer 50 hat eine sehr lange  Tradition als Gastromiestandort an der „Wolbecker“. Schon 1879 war dort die Bierhandlung des Alexander Luig ansässig, später ab den 20er Jahren wurde hier auch eine Mineralwasserfabrik von Eduard Luig betrieben. Im  neu errichteten Nachkriegsbau  erscheint dann die Gaststätte „Luigs Bierstuben“, die von dem an der „Wolbecker“ sehr bekannten Wirt Heinrich Kimmina als Eckkneipe und Quartierstreff geführt wird. Direkt nebenan eröffnete übrigens der Juwelier Helmut Kessmann sein Uhren- und Schmuckgeschäft.

Die Pächter der Gaststätte wechselten. In den 60er Jahren betrieb Arthur Uhlmann das Gasthaus. Über einen sehr langen Zeitraum waren das Ehepaar Nora und Jürgen Hülsmann die Wirte  in „Luigs Bierstuben“, die sie auch weiterhin als Quartierskneipe führten. Sie holten das Dartspiel in ihr Gasthaus und lieferten so ein neues Angebot für ihre Gäste. Die Nachfrage nach einer klassischen Eckkneipe lief aufgrund eines geänderten Freizeitverhaltens, veränderter Bedürfnisse und Lebensstile in der Gesellschaft zunehmend aus.

Innenraum des Burgerrestaurants „Bun Bites Beef“, Foto Keno Topilin

„Bun Bites Beef“

Die Burger-Freunde Stefan Böhm, Thomas Wehrmann und Mike Gottlob gründeten ihr eigenes Burger- Restaurant „Bun Bites Beef“ mit dem Leitgedanken, hochwertige Burger anzubieten, deren Zutaten frisch und regional produziert werden. Nach vollständiger Entkernung und gründlicher Sanierung der Räumlichkeiten konnten die jungen Gastronomen am 18. November 2014 ihr Restaurant eröffnen. Die Gasträume strahlen Industrieflair aus, schaffen eine  angenehme Atmosphäre durch beeindruckendes Design, das einladend und gemütlich zugleich ist. Hochwertige Burger mit und ohne Fleisch, auch vegan kann man hier genießen. Dieses Gastroangebot bedient einen weit verbreiteten Trend und begegnet dem Kundenwunsch nach hochwertigen Genußprodukten und nachvollziehbarer, regionaler Lieferkette. Kein Wunder, dass der Burgerladen von den Gästen hervorragend angenommen wird und auch die „Coronadelle“ gut überstanden hat. In diesem Jahr kann das Haus stolz auf seine lange Gastronomietradition zurückblicken und das „Bun Bites Beef“ sein 10jähriges Bestehen feiern.

Wolbecker Str. 64:    Von „Mütterchen Angsmann“ bis zu „Salam Kitchen“

Schon 1879 ist im Münsteraner Einwohnerbuch die Schenkwirtschaft des Johann Angsmann angeführt. Das Haus trug die Hausnummer 55 und lag im Außenbereich der Stadt an der Chaussee  nach Wolbeck. Im gleichen Haus wurde von der Familie Angsmann lange Zeit eine Schmiede betrieben.

Foto ca. 1920, Sammlung Groß

Mit der sich nach Osten ausdehnenden Stadt  und den wachsenden Wohnquartieren zwischen dem Bahnhof und dem Hansaring entwickelte ich „Mütterchen Angsmann“ zur Kiezkneipe. Nach dem Wiederaufbau konnte sich die Gaststätte weiter ihr Publikum aus dem Herz-Jesu – und dem Hansaviertel sichern. Als Pächter hatten dort mehrere Wirte die Regie.

Foto von Februar 1985, Sammlung Bischoff

„Mütterchen Angsmann“ wird zum „Flic Flac“

Frischen Wind brachte Dirk Beyersdorff in die Gastroszene der „Wolbecker“ in den 2000er Jahren und machte aus der Eckkneipe das „flicflac – Alles –außer Lounge“. Regelmäßige Live-Konzerte regionaler und auch internationaler Bands und DJs, Auftritte von Kleinkünstlern, Comedians und Kabarettisten gehörten über 10 Jahre laut Einschätzung eines Branchenkenners zum festen Programmangebot der Kneipe. Ideenreich machte das „Flicflac“ auf sich in Münster aufmerksam.

Logo des „flicflac“ – Internetfoto

Das „flicflac“ lief aus und die Jungunternehmer um Mike Gottlob ergriffen die Gelegenheit, einen weiteren neuen Akzent in der sich schnell entwickelnden Gastroszene an der „Wolbecker“ zu setzen.

„Salam Kitchen“

Nach Umbaumaßnahmen und Renovierungen konnten sie am 9.Juni 2017 das „Salam Kitchen“ eröffnen. Damit blickt das Haus W 64 auf eine fast 150 jährige ungebrochene Tradition als Gasthaus zurück und hat damit  ein Alleinstellungsmerkmal an der Straße.

Darüber hinaus hat das heutige Restaurant „Salam Kitchen“  noch eine weitere Qualität, durch die es eine Sonderstellung in der breit gefächerten Gastroszene entlang der „Wolbecker“ einnimmt. Angeboten werden Gerichte, die der Middle Eastern und Fusionsküche entstammen. Das Restaurant startete als Integrations- und Bildungsprojekt für Migranten primär aus dem Mittelmeerraum, sollte Lern- und Arbeitsplatz zugleich sein, so berichtete Mike Gottlob, einer der Mitinhaber im Gespräch. Zeitweilig gründeten die Betreiber einen eigenen Bildungsträger, um Maßnahmen zur beruflichen Orientierung auch im „Salam Kitchen“ anbieten zu können. In Kooperation mit dem Berufskolleg und freien Bildungsträgern in Münster wurden Ausbildungsgänge im Gastrobereich angeboten z.B. zum Koch oder zur Fachkraft im Gastgewerbe. Eng verbunden mit der fachlichen Schulung war natürlich ein Sprachkurs zum Erlernen der deutschen Sprache.

Foto: Peters 2022 Foto: Moritz Wulf